„Ich brauche mein Erhängen – mein Erhängen!“

Während der perfide Schurke des Stücks, der ehrenwürdige Richter Lawrence Wargrave (Tamara Stanik, 10pc), den Strick für sein letztes Opfer, die gutmütige Sekretärin Vera Claythorne (Caterina Thielmann-Vila, 10b), vorbereitet, ist es totenstill im Publikum. Plötzlich ein Schuss. Wargrave stürzt zu Boden. Vera ist gerettet und verlässt mit Philip Lombard (Lara Landbrieff, 10b) nach einem nervenaufreibenden Wochenende die abgelegene Insel. Das Unwetter ist vorüber, die Fähre kann übersetzen.

Nach langer Coronapause meldet sich das Mittelstufentheater mit dem Namen „Wort im Spiel“-Theater zurück und brilliert in Agatha Christies Kriminalstück „Und dann gab’s keines mehr“ (Deutsch von Michael Raab) mit schauspielerischen Glanzleistungen sowie einer ausgeklügelten Licht- und Tontechnik. Die enge und von Wertschätzung geprägte Zusammenarbeit mit dem P-Seminar „Bühnenbild“ unter der Leitung von Frau Sowa stellte in jeglicher Hinsicht eine Bereicherung dar. Auch der unermüdliche Einsatz von Benjamin Elschner und Lukas Hill (beide Q 11) darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Obwohl die Besucherzahlen an den beiden Aufführungstagen am 27. und 28. Juni 2023 hätten höher ausfallen dürfen, tut dies dem Schlussapplaus des Publikums keinen Abbruch. Zu groß ist die Spielfreude der Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich von Beginn an auf die Zuschauer überträgt. Gemessen an der Doppelbelastung der Teilnehmenden, die zwischen langen Probentagen bis tief in die Nacht und den letzten Schulaufgaben des Jahres ihre Rollentexte zu lernen hatten, kann der Dank an das Ensemble nicht groß genug ausfallen.

Was bleibt in Erinnerung? Nick Kurz (10b) als zugleich knuffiger und grantiger General Mackenzie, der seinem Zorn mit Hilfe seines Gehstocks wirkungsvoll Ausdruck verleiht und – hinterrücks erstochen – einen überraschenden Tod findet. Genauso unerwartet kommt Emily Brent (Tiziana De Prisco, 10f) ums Leben, nachdem sie als religiöse Fanatikerin düstere Verse aus der Bibel zum Besten gegeben hat und sich damit den ersten großen Szenenapplaus des Abends sichert. Für den ersten Schockmoment hingegen sorgt Johannes Modler (10c) in seiner Rolle als Draufgänger Anthony Marston, der vor seinem Tod zwar noch lauthals „ein Hoch auf die Kriminalität“ ausrufen kann, ihm der anschließende Schluck aus dem Sektglas jedoch im Halse stecken bleibt. Für die richtigen Diagnosen sorgt der angesehene und gewissenhafte Arzt Dr. Armstrong, gespielt von Tabea Modler (8d), die nicht nur in den Zeilen „Er ist tot – tot.“ ihr Gespür für das richtige Timing unter Beweis stellt. Ebenfalls in Erinnerung bleibt Elisa Fahnenstiel (10b) mit ihrer überzeugenden Darstellung des ehemaligen Polizisten William Blore, den sie mit Leichtigkeit und Lässigkeit verkörpert. Oliwia Kanarek und Marie-Suzan Kaplan (beide 10pc) mausern sich im Verlauf des Abends zu Publikumslieblingen, obwohl ihre Figuren, das Schwesternpaar Elizabeth und Ethel Rogers, schon früh im Stück ermordet werden. Als Moderatorinnen aus dem Jenseits sorgen sie mit ironischen Kommentaren gekonnt für einen Ausgleich zu dem tragischen Geschehen und beziehen das Publikum dabei charmant und mit viel Esprit in die Handlung ein.

Matthias König