Ein besonderes Homeschooling-Angebot für den Geschichtsunterricht erhielten die Schülerinnen und Schüler der Q11 des Friedrich-Dessauer-Gymnasiums vom Institut für Kino und Filmkultur e.V. in Wiesbaden: Das Filmseminar zum NS-Propaganda-Film „Jud Süß“ wurde erstmalig als Online-Format durchgeführt.
Trotz der Pandemie konnten wir also gemeinsam einen der erfolgreichsten antisemitischen Nazi-Blockbuster aus dem Jahre 1940 von Veit Harlan sehen und unter der Anleitung des Filmexperten Herrn Klingelhöfer kritisch analysieren.
Der Film spielt im 18. Jahrhundert und handelt von der angeblich wahren Geschichte des jüdischen Finanzbeamten Joseph Süß Oppenheimer, welcher sich durch seine Beziehung zum Herzog Karl Alexander von Württemberg und seinem bereits vorhandenen Vermögen durch Tricks und Finesse an die Seite des Herzogs kämpfte. Dadurch habe sich der Finanzbeamte immer mehr Vorteile auf Kosten der deutschen Bevölkerung verschafft. Schließlich erpresst Oppenheimer eine junge blonde, christliche Frau, um mit ihr zu schlafen, indem er ihren frisch angetrauten Ehemann festnehmen und foltern lässt. Damit erfüllt Oppenheimer alle Klischees eines hinterlistigen, überaus mächtigen und sich bereichernden Juden, der hinter arischen Frauen her ist und nicht einmal vor Vergewaltigung zurückschreckt. Im Film wird Oppenheimer schließlich verhaftet und zum Tode durch Erhängen verurteilt, letztlich unter dem Vorwand, dass er deutsches Blut geschändet habe.
Der damals vom NS-Propaganda-Minister Joseph Göbbels in Auftrag gegebene Film gehörte in den Kriegsjahren zum Pflichtprogramm u.a. für KZ-Aufseher und NS-Wachmannschaften und erreichte schließlich die Rekordanzahl von etwa 20 Millionen Besuchern.
Das durch und durch antisemitische Unterhaltungs- und Liebesmelodram wurde so konzipiert, den Zuschauer gezielt, aber unbewusst zu manipulieren. In der anschließenden Analyse des NS – Streifens klärte der Referent anhand einiger Beispiele über die von den Nationalsozialisten benutzen Propaganda-Mittel auf. Ein Beispiel hierfür sind die Musikeinlagen, die den Zuschauern eine gewisse Stimmung vorgaukeln und Sympathien lenken sollten. Wurde bei Szenen mit der unschuldigen, später vergewaltigten jungen Christin Melodien von bekannten und beliebten Volksliedern eingespielt, so ertönten bei Szenen mit Juden unbestimmte, auf Hebräisch vorgetragene und für den Zuschauer unverständliche, äußerst dissonante Gesänge. Auch für die Darstellung der Deutschen und Juden wurden raffinierte Mittel benutzt, um diese als verschiedene „Rassen“ darzustellen: Die „Juden“ hatten hierbei schwärzere Augen, sahen allgemein ungepflegter und kleiner aus als die im Film dargestellten „Deutschen“. Außerdem wurden vier verschiedene Juden von immer demselben Schauspieler gespielt, damit diese nicht mehr als Individuen wahrgenommen werden.
Genau wegen der unbewussten propagandistischen Wirkungsweise ist „Jud Süß“ heute noch ein sogenannter Vorbehaltsfilm, der nicht öffentlich zugänglich ist und von der Friedrich-Murnau-Stiftung, welche diese Filme verwaltet, nur für Bildungsangebote freigegeben wird. Im Unterricht wurde anschließend diskutiert, ob man den Film heute freigeben sollte. Dabei kam der Großteil der Schüler*innen zum Ergebnis, dass der Film nicht mehr verboten werden sollte. Allerdings sollte ein Disclaimer im Vorspann zu sehen sein, um die vielleicht noch ahnungslosen Zuschauer über den damaligen Zweck und die Wirkungsweise des Films zu informieren.
Ein herzliches Dankeschön geht an Herrn Klingelhöfer für die großartige Umsetzung dieses Webinars und das Bildungsbüro Aschaffenburg für die großzügige Finanzierung!
Übrigens: Es gab keinerlei Probleme mit der Technik – alles verlief reibungslos!
Paula Ruppert, Niklas Stripp, Paul Bischof (Q11)