Studienseminar unterwegs mit Zeitzeugen der DDR
Drei Tage lang beschäftigte sich unser Studienseminar unter der Leitung von Stephanie Schütze mit dem Thema Diktatur und Mauerfall in der DDR. Dafür reisten die jungen Lehrkräfte vom 10.-12.07.2023 zusammen mit dem Studienseminar Bamberg zur Bildungsstätte Heiligenhof in Bad Kissingen. Die Fahrt begann an der ehemaligen innerdeutschen Grenze in Behrungen, Thüringen, wo die Referendare einen Einblick in den Aufbau und die Funktionsweise der damaligen Grenzanalage bekamen.
Das Highlight der Studienfahrt war der Besuch der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt. Die Seminarteilnehmer wurden im Stasi-Unterlagen-Archiv über die Arbeitsweise der Stasi informiert und erhielten Zutritt zu einem der Archivräume. Im Anschluss besuchte das Seminar die Gedenkstätte Andreasstraße, die in DDR-Zeiten als Gefängnis genutzt wurde und zwischenzeitlich als Lager für Stasi-Dokumente diente. Die Führung wurde von der Museumspädagogin Judith Mayer geleitet, die neben den original erhaltenen Gefängnistrakten auch die Ausstellungen zur Organisation der SED und der friedlichen Revolution in Thüringen vorstellte. Daraufhin gab es ein Zeitzeugengespräch mit Guntram Erbe, der Entwicklungsingenieur in der DDR war und 1985 mit einem selbstgebauten Flugzeug fliehen wollte, diesen Versuch jedoch unbemerkt abbrechen musste. Darüber hinaus berichtete Erbe über seine Zeit als Häftling in der DDR, da nach seinem Fluchtversuch in das Visier der Behörden geraten war und 1988 verhaftet wurde.
Die Studienfahrt wurde am letzten Tag mit Vorträgen der Zeitzeugen Dr. Axel Hartmann und Peter Pragal abgeschlossen. Dr. Axel Hartmann war in den 1980ern als Diplomat in der deutschen Botschaft Budapest für schutzsuchende Bürger der DDR zuständig und berichtete den Seminarteilnehmern von seiner Arbeit vor und nach der Wende. So hatte er bereits Anfang der 80er Jahre DDR-Flüchtlingen im Keller der Botschaft Unterschlupf gewährt und diesen zur Flucht in den Westen verholfen, unter anderem in einem türkischen Fleischtransporter versteckt.
Der Journalist Peter Pragal berichtete als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und des Sterns seit 1973 aus der DDR, in die er als erster westdeutscher Reporter mit Frau und zwei Kindern gezogen war. Mit seinem Spezial-Pass als Korrespondent war es ihm jederzeit möglich, zwischen den beiden Staaten hin- und herzuwechseln. Am 9. November 1989 war er live dabei, als der Grenzübergang Bornholmer Straße geöffnet wurde und wurde Augenzeuge des Mauerfalls. Er schilderte den Teilnehmern, wie er seine Zeit als „Wessi“ und Journalist in der DDR erlebt hatte. Ergänzend zu seinem Vortrag stellte Pragal den Referendaren Auszüge aus seinen Stasi-Akten zur Verfügung, die das Ausmaß der Überwachung verdeutlichten. Seine Akte umfasste unglaubliche 30 000 Seiten.
StRefin Katharina Tancré